28.02.2023
Strommarktreform: Paris will bis zum Ende des Jahres fertig sein
Das Kabinett der französischen Energieministerin bekräftigte die Absicht, die Reform des europäischen Strommarktes bis zum Ende des Jahres abzuschließen. In Berlin will man lieber bis nach den Europawahlen warten.

Quelle: EURACTIV

Die Energieminister treffen sich am Montag und Dienstag (27. und 28. Februar) in Stockholm zu einem informellen Rat über Energiefragen. Auf der Tagesordnung steht dabei die Reform des europäischen Strommarktes, der durch den Rückgang der russischen Gaslieferungen in seiner Fähigkeit, Preiserhöhungen zu verkraften, beeinträchtigt wurde.

Um ihn widerstandsfähiger zu machen, wird die Europäische Kommission am 14. März einen Reformvorschlag vorlegen. Weder über die Richtung, noch den Zeitplan der Reform sind sich die Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich und Deutschland, einig.

Berlin plädiert dafür, die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 abzuwarten bevor tiefgreifende Reformen stattfinden, während Paris über das Kabinett von Energieministerin Agnès Pannier-Runacher am Freitag seinen Willen bekräftigte, „eine Einigung vor den Europawahlen zu erzielen“.

In Stockholm wird Agnès Pannier-Runacher in Abwesenheit des deutschen Wirtschafts- und Klimaministers Robert Habeck mit dem Staatssekretär für Wirtschaft und Klimaschutz, Sven Giegold, sprechen.

Bei dieser Gelegenheit werden die beiden Politiker unter anderem den Zeitplan für die Reform des Strommarktes erörtern. Giegold sagte gegenüber EURACTIV, dass erste, nicht so tiefgreifende Änderungen, baldig verabschiedet werden könnte.

Das kann als Zugeständnis an die französische Regierung verstanden werden.

Am vergangenen Montag (20. Februar) sagte Robert Habeck bei einer Veranstaltung in Berlin, dass er eine grundlegende Reform „erst nach den Europawahlen“, das heißt nach Mai 2024, wünsche.

Der deutsche Vizekanzler erläuterte seinen Zeitplan auch mit der offiziellen Stellungnahme vonseiten Berlins, die erst nach dem Winter 2023 nach einem Prozess erfolgen wird.

Paris will bis Ende des Jahres ein Abkommen.

Das Kabinett von Agnès Pannier-Runacher plädiert gegensätzlich für die Annahme einer „allgemeinen Ausrichtung“ durch den Rat der EU mit den 27 Mitgliedstaaten „bis zum Ende der schwedischen Präsidentschaft“, das heißt vor dem 1. Juli.

Seit der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Mitte Januar sagte, er wolle eine Reform „innerhalb von sechs Monaten“, wie die Zeitung Les Echos berichtete, beharrt Paris auf seinem Standpunkt.

Das Kabinett der Energieministerin will Deutschland entgegenkommen und schlägt stattdessen eine endgültige Vereinbarung vor, die „unter der spanischen Präsidentschaft“, das heißt bis Ende Dezember 2023 abgeschlossen werden soll.

„Wenn wir vor den Europawahlen 2024 keine Einigung erzielen, wird die Reform auf einen viel späteren Zeitpunkt verschoben, bis die neuen Institutionen eingerichtet sind“.

Dies wäre „zwei bis drei Jahre nach dem Beginn der Energiekrise, zu einem Zeitpunkt, an dem alle unsere internationalen Partner bereits sehr stark reagiert haben werden“, erklärte das Kabinett der Ministerin.

Dies sei „verlorene Zeit“ für die Industrie, die eine schnelle Reform benötige, da sonst „ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und Standortverlagerungen“ drohten, so das Kabinett weiter.

Konfrontation der Bündnisse

In jedem Fall wird die Entscheidung über die Reform „von 27 getroffen“, so die Ministerin, was darauf hindeutet, dass eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU ausreichen wird – mindestens 15 Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten -, um einen gemeinsamen Standpunkt anzunehmen.

In diesem kleinen Kräftemessen der Bündnisse könnte Deutschland in die Minderheit geraten, so der luxemburgische Energieminister Claude Turmes.

Seiner Meinung nach ist es „relativ wahrscheinlich“, dass Frankreich mindestens 14 weitere verbündete Staaten findet. Dabei wird es sich womöglich um die Staaten handeln, die die Kommission im Dezember letzten Jahres dazu gebracht haben, die Gaspreise zu deckeln.

Auf der anderen Seite stehen sechs Mitgliedstaaten – Luxemburg, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland und die Niederlande – bereits an der Seite Deutschlands und fordern die Kommission auf, bei der Reform vorsichtig vorzugehen.

Um mehr Gewicht zu erlangen, erwartet Turmes von Deutschland, dass es „seine Schlagkraft […] entfaltet, nicht nur von der Regierung, sondern von allen Akteuren zusammen“.

Angesichts dieser Aufforderungen sollte die Europäische Kommission eine Reform vorschlagen, die zumindest die Punkte aufgreift, die relativ konsensfähig sind, wie zum Beispiel eine Lockerung der europäischen Wettbewerbsregeln für die Laufzeit von Stromabnahmeverträgen.

Da es sich in Stockholm um einen „informellen“ Rat handelt, wird am Ende des zweitägigen Treffens kein Gesetzestext verabschiedet werden.

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