17.11.2023
Energieversorgung: Gute Aussichten für den Winter
Die EU geht mit wesentlich besseren Aussichten für eine sichere Strom- und Gasversorgung in den bevorstehenden Winter als vor einem Jahr.

Quelle: enerNEWS-Partner Energie & Management

Die Spitzenverbände der europäischen Übertragungsnetzbetreiber für Strom und Gas, Entso-E und Entso-G, halten die Versorgung mit leitungsgebundener Energie in den kommenden Monaten für weitgehend gesichert. Die Lage auf den Energiemärkten habe sich gegenüber dem Vorjahr weitgehend normalisiert, heißt es in der gemeinsamen Winterprognose der beiden Verbände, die am 16. November in Brüssel vorgestellt wurde. Risiken für die Versorgung sehen sie nur im Fall eines langen und besonders kalten Winters oder anderer, ungünstiger Witterungsverhältnisse.

Die EU sei mit sehr gut gefüllten Speichern (96 Prozent) in die Wintersaison gestartet, sagte Kacper Zeromski von Entso-G. Das entspricht 1.091 TWh oder einem Drittel des Verbrauchs im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Die zusätzlichen LNG-Terminals, die in den letzten Monaten in Deutschland und Finnland in Betrieb gegangen seien, hätten die Versorgungslage grundlegend verändert. Die EU verfüge damit über ausreichende Infrastrukturkapazitäten, um die Versorgung auch dann zu sichern, wenn die verbleibenden russischen Lieferungen ausblieben. Dabei habe man die strategischen Reserven der Mitgliedsstaaten nicht berücksichtigt, sagte Zeromski. Sie machten knapp 10 Prozent der gesamten Reserven aus. Ihre Verwendung könne nationalen Einschränkungen unterliegen. Auch Gas, das Versorger aus der EU in der Ukraine gespeichert hätten, sei nicht in die Verfügbarkeitsanalyse von Entso-G eingegangen. Grundsätzlich sei die Nutzung ukrainischer Speicher aber eine zusätzliche Option.

Die Beschädigung des Interconnectors zwischen Finnland und Estland verhindere zwar die direkte Kooperation der Finnen mit dem Baltikum, stelle aber keine ernste Gefahr für die Versorgungssicherheit dieser Länder dar.

Extreme Witterungsverhältnisse könnten allerdings auch in diesem Winter zu vorübergehenden Engpässen führen. Die meisten Probleme würden dann durch den Preisanstieg und den damit verbundenen Rückgang der Nachfrage gelöst. Darüber hinaus empfiehlt Entso-G eine möglichst enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten, insbesondere bei der Nutzung der Infrastruktur. Die EU verfüge inzwischen über genügend Kapazität an ihren LNG-Terminals, um die verbleibenden russischen Gaslieferungen zu ersetzen. Das Gas müsse dann jedoch auch von West- nach Osteuropa transportiert werden.

Im Prinzip jede erwartbare Stromnachfrage bedienbar

Auch die Elektrizitätswirtschaft geht optimistisch in die Wintersaison. Entso-E erwartet, dass sich die Nachfrage nach Strom auf dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen Jahre bewegt. Dem stünden höhere Kapazitäten gegenüber, sagte der Analyst des Verbandes, Simon Art. Die meisten französischen Atomkraftwerke, die im letzten Winter wegen Wassermangel oder aufgrund von Wartungsarbeiten nicht zur Verfügung standen, seien ans Netz zurückgekehrt. Die Stauseen vor allem in den skandinavischen Ländern seien wieder gut gefüllt und die Zahl der Windräder und Photovoltaik-Anlagen sei in den letzten zwölf Monaten weiter gestiegen. Damit könne, im Prinzip, jede erwartbare Nachfrage bedient werden.

Das sogenannte „kritische Gasvolumen“ sei im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent zurückgegangen. Damit ist die Menge an Gas gemeint, die über den gesamten Winter benötigt wird, um den Lastenausgleich zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen.

Allerdings gebe es regionale Versorgungsrisiken, insbesondere an den Rändern der EU sowie in einzelnen Regionen in Frankreich und Belgien. In Zypern und Malta sei die Versorgung vollständig von der lokalen Erzeugung abhängig, weil die Inselstaaten nicht mit dem Übertragungsnetz auf dem Festland verbunden seien. Die Versorgung in Irland hänge stark von der Windenergie ab und seine Gaskraftwerke seien alt und störanfällig. In Polen könnten Engpässen bei der Braunkohleversorgung nicht vollkommen ausgeschlossen werden.

Zu Engpässen könne es auch in Finnland kommen, dessen Versorgung zunehmend vom Windaufkommen abhänge. Besonders in windarmen Zeiten sei das Land auf Stromimporte aus den Nachbarländern angewiesen. In Finnland hat in diesem Jahr zwar ein neues Atomkraftwerk den Betrieb aufgenommen, gleichzeitig wurde die Kapazität des Interkonnektors nach Schweden aber um 300 MW gekürzt.

Für den deutschen Elektrizitätsmarkt sieht man angesichts üppiger Reserven in Brüssel keine grundsätzlichen Probleme. Allerdings bestehe die Gefahr, dass Kraftwerke, die am Markt teilnähmen, als technische Reserve nicht mehr zur Verfügung stünden. Für das Jahr 2024 erwartet Ensto-E eine Nachfrage von 547 Milliarden kWh in Deutschland. Für Elektrofahrzeuge veranschlagen die Netzexperten 8,3 Milliarden kWh, für Wärmepumpen 4,9 Milliarden kWh und für Datenverarbeitungszentren 9,9 Milliarden kWh. Die im Januar 2024 benötigte Spitzenlast schätzt Ensto-E auf 88.500 MW.

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